1. Was ist das?
Als „Elternunterhalt“ wird die rechtliche Verpflichtung von Kindern bezeichnet, durch Unterhaltszahlungen den Lebensunterhalt ihrer Eltern zu sichern
2. Wo findet sich die Rechtsgrundlage für die Pflicht?
Die Rechtsgrundlage findet sich unmittelbar im BGB:
§ 1601 – Unterhaltsverpflichtete
Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.
§ 1602 – Bedürftigkeit
(1) Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
(2) Ein minderjähriges unverheiratetes Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.
§ 1604 – Einfluss des Güterstands
Lebt der Unterhaltspflichtige in Gütergemeinschaft, bestimmt sich seine Unterhaltspflicht Verwandten gegenüber so, als ob das Gesamtgut ihm gehörte. Haben beide in Gütergemeinschaft lebende Personen bedürftige Verwandte, ist der Unterhalt aus dem Gesamtgut so zu gewähren, als ob die Bedürftigen zu beiden Unterhaltspflichtigen in dem Verwandtschaftsverhältnis stünden, auf dem die Unterhaltspflicht des Verpflichteten beruht.
§ 1605 – Auskunftspflicht
(1) Verwandte in gerader Linie sind einander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Über die Höhe der Einkünfte sind auf Verlangen Belege, insbesondere Bescheinigungen des Arbeitgebers, vorzulegen. Die §§ 260, 261 sind entsprechend anzuwenden.
(2) Vor Ablauf von zwei Jahren kann Auskunft erneut nur verlangt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der zur Auskunft Verpflichtete später wesentlich höhere Einkünfte oder weiteres Vermögen erworben hat.
§ 1606 – Rangverhältnisse mehrerer Pflichtiger
(1) Die Abkömmlinge sind vor den Verwandten der aufsteigenden Linie unterhaltspflichtig.
(2) Unter den Abkömmlingen und unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren.
(3) Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes.
§ 1607 – Ersatzhaftung und gesetzlicher Forderungsübergang
(1) Soweit ein Verwandter auf Grund des § 1603 nicht unterhaltspflichtig ist, hat der nach ihm haftende Verwandte den Unterhalt zu gewähren.
(2) Das Gleiche gilt, wenn die Rechtsverfolgung gegen einen Verwandten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Der Anspruch gegen einen solchen Verwandten geht, soweit ein anderer nach Absatz 1 verpflichteter Verwandter den Unterhalt gewährt, auf diesen über.
(3) Der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen einen Elternteil geht, soweit unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 anstelle des Elternteils ein anderer, nicht unterhaltspflichtiger Verwandter oder der Ehegatte des anderen Elternteils Unterhalt leistet, auf diesen über. Satz 1 gilt entsprechend, wenn dem Kind ein Dritter als Vater Unterhalt gewährt.
(4) Der Übergang des Unterhaltsanspruchs kann nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden.
§ 1603 – Leistungsfähigkeit
(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.
(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.
§ 1611 – Beschränkung oder Wegfall der Verpflichtung
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen unverheirateten Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
3. Was bedeutet das nun für die Kinder konkret?
Elternunterhalt bekommen die Eltern, wenn sie wirklich bedürftig sind und die Kinder auch leistungsfähig sind. Nur wenn beide Kriterien erfüllt sind, besteht eine Zahlungspflicht der Kinder. Die Unterhaltspflicht trifft dabei grundsätzlich nur die Kinder des Berechtigten. Schwiegerkinder sind von der Unterhaltspflicht ausgenommen. Es kann aber sein, dass das Einkommen der Schwiegerkinder bei der Berechnung des sogenannten individuellen Familienbedarfs Berücksichtigung findet. Dadurch kommt es dann zu einer indirekten Unterhaltspflicht der Schwiegerkinder.
Wird ein mitverdienender Ehegatte von seinem Elternteil auf Unterhalt in Anspruch genommen, hängt seine Leistungsfähigkeit auch davon ab, ob sein angemessener Unterhalt bereits ganz oder teilweise durch den Familienunterhalt gedeckt ist
(BGH, Urteil vom 17. Dezember 2003 – XII ZR 224/00 –, juris)
Je nach dem, wie der Familienunterhalt danach zu bemessen ist, kann auch bei einer Doppelverdienerehe ein über die Differenz zwischen dem Einkommen und dem bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt angemessenen Selbstbehalt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. Oktober 2002 aaO S. 1700 ff.) hinausgehender Teil des Einkommens des Unterhaltspflichtigen für die Zahlung von Elternunterhalt einzusetzen sein, also dessen eigener angemessener Selbstbehalt unterschritten werden. Ist der Familienunterhalt nämlich einerseits höher als die für die Eheleute insofern maßgeblichen Mindestselbstbehaltssätze, andererseits aber niedriger als das beiderseitige unterhaltsrelevante Einkommen, so steht dem Unterhaltspflichtigen, der zum Unterhalt nur soviel beitragen muß, wie es dem Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte entspricht, ein Teil seines Einkommens zur Verfügung mit der Folge, daß er insoweit unterhaltsrechtlich leistungsfähig sein kann, auch wenn ihm von seinem eigenen Einkommen nicht der Mindestselbstbehalt verbleibt. Denn sein angemessener Unterhalt ist im Rahmen des Familienunterhalts gewährleistet (ebenso Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 5. Aufl. § 2 Rdn. 645; Luthin/Seidel Handbuch des Unterhaltsrechts 9. Aufl. Rdn. 5084 f.; Günther Münchner Anwaltshandbuch § 12 Rdn. 96; Heiß/Hußmann Unterhaltsrecht 13. Kap. Rdn. 42; Henrich FamRZ 1992, 590). Entspricht es dagegen der Lebensgestaltung der Familie, daß die Ehegatten ihre jeweiligen Einkünfte voll für den Familienunterhalt einsetzen, so verfügt der Unterhaltspflichtige nur über für den Elternunterhalt einsetzbare Mittel, soweit sein eigenes Einkommen seinen angemessenen Selbstbehalt übersteigt. In weitergehendem Umfang ist er dagegen nicht leistungsfähig. Andernfalls würde nämlich eine Senkung des – häufig langjährig bestehenden – Lebensstandards der Familie eintreten, den der Ehegatte des Unterhaltspflichtigen insoweit nicht hinzunehmen braucht, weil er nicht mittelbar für den Unterhalt der Schwiegereltern aufzukommen hat (ebenso Wendl/Pauling aaO § 2 Rdn. 645; Heiß/Hußmann aaO 13. Kap. Rdn. 42; Günther aaO § 12 Rdn. 93; Henrich aaO S. 590; Duderstadt Erwachsenenunterhalt 3. Aufl. Anm. 3.5 a.E.). Der Ehegatte muß in einem solchen Fall nur hinnehmen, daß die über dem angemessenen Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen liegenden Mittel für den Unterhaltsbedarf der Eltern einzusetzen sind und damit für den Familienunterhalt nicht zur Verfügung stehen.
(BGH, Urteil vom 14. Januar 2004 – XII ZR 69/01 –, Rn. 18, juris)
Es gilt der Grundsatz, dass „ein Unterhaltspflichtiger nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zur Bestreitung des Unterhalts einsetzen muss. Eine allgemeine Billigkeitsgrenze, wie sie § 1577 Abs. 3 BGB und § 1581 Abs. 2 BGB für den nachehelichen Ehegattenunterhalt vorsehen, enthält das Gesetz im Bereich des Verwandtenunterhalts nicht. Deshalb ist auch hinsichtlich des einsetzbaren Vermögens allein auf § 1603 Abs. 1 BGB abzustellen, wonach nicht unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Hierzu außer Stande ist jedoch nicht, wer über verwertbares Vermögen verfügt (Senatsurteile BGHZ 169, 59, 67 f. = FamRZ 2006, 1511, 1513 mwN und vom 21. November 2012 – XII ZR 150/10 – FamRZ 2013, 203 Rn. 33).“
(BGH, Beschluss vom 07. August 2013 – XII ZB 269/12 –, Rn. 24, juris)
In der Praxis sieht es oft so aus, dass pflegebedürftige Eltern die Kosten der Pflege nicht mehr selbst tragen können. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn keine Ersparnisse vorhanden sind oder diese bereits aufgebraucht worden sind. Ist dann auch noch die Rente gering, können schnell Versorgungslücken entstehen. Zwar wird ein Teil der Pflegekosten von der gesetzlichen Pflegeversicherung getragen aber diese deckt oft nicht die gesamten Kosten ab. In einem solchen Fall kommt das Sozialamt zunächst für die Kosten auf und verlangt im Falle der Leistungsfähigkeit das Geld von den Kindern dann zurück, denn in diesem Fall gehen die Unterhaltsansprüche des Berechtigten gegenüber seinen Kindern gem. § 94 SGB XII kraft Gesetzes, ohne dass es dafür noch einer besonderen Handlung oder eines Überleitungsbescheides bedarf, auf den Sozialhilfeträger über. Dieser tritt damit an die Stelle des unterhaltsberechtigten Elternteils. Der Übergang von Unterhaltsansprüchen erfolgt jedoch nur dann, wenn auch tatsächlich Sozialhilfeleistungen gewährt werden. Der Anspruchsübergang erfolgt stets in Höhe der tatsächlichen Leistung. Dies bedeutet, dass für den Fall, dass der Unterhaltsanspruch die tatsächlich geleistete Sozialhilfe in dem Bezugszeitraum übersteigt, die Differenz von dem Leistungsberechtigten insoweit weiter geltend gemacht werden kann.
Mit dem Übergang des Anspruchs geht auch der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch über. In der Regel werden die Kinder zur Auskunft über das Einkommen sowie vorhandenes Vermögen aufgefordert. Es besteht eine Pflicht zur Auskunft (vgl. 1605 BGB). In der Praxis stützen die Sozialhilfeträger das Auskunftsbegehren allerdings häufig auf § 117 Abs. 1 SGB XII, da dies für sie leichter durchsetzbar ist.
Routinemäßig erfolgt gleichzeitig mit dem Auskunftsbegehren auch die Rechtswahrungsanzeige nach § 94 Abs. 4 SGB XII. Die Rechtswahrungsanzeige hat bei der Geltendmachung der Unterhaltsansprüche eine wichtige Funktion. Der Unterhalt kann auch nach einem Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger nur ausnahmsweise für die Vergangenheit gefordert werden. Dafür bedarf es der Rechtswahrungsanzeige. Diese stellt eine schriftliche Mitteilung an den Unterhaltspflichtigen dar, in welche aufgeführt wird, ab welchem Zeitpunkt eine konkrete zu bezeichnende Sozialhilfeleistungen an den Unterhaltsberechtigten erfolgt, dass die Unterhaltsansprüche übergegangen sind und geltend gemacht werden.
Fehlt eine solche Rechtswahrungsanzeige oder erfolgt diese gegenüber dem Unterhaltspflichtigen erst nach Beginn der Sozialhilfeleistungen, kann insoweit kein Unterhalt für die Vergangenheit gefordert werden. Die Rechtswahrungsanzeige hat die Wirkung, dass der Unterhaltspflichtige damit in Verzug gesetzt wird. Sie ist jedoch kein Verwaltungsakt und insofern ist auch kein Widerspruch erforderlich.
Möchte der Sozialhilfeträger die übergegangene Unterhaltsforderung geltend machen, so muss er gegen den Unterhaltspflichtigen Klage vor dem Familiengericht erheben. Die Bemühungen um eine außergerichtliche Einigung sind häufig erfolgversprechend. Dies kommt vor allem daher, weil auch die Sozialhilfeträger den nicht unerheblichen Aufwand einer Klage zunächst scheuen und die Kosten eines Klageverfahrens in der Regel vermeiden wollen.
4. Vermögen der Eltern
Grundsätzlich muss derjenige, welcher Unterhalt fordert aber zunächst ein eigenes Vermögen einsetzen. Das bedeutet, dass die Eltern grundsätzlich ihr gesamtes Vermögen aufbrauchen müssen, bevor Unterhaltsansprüche entstehen.
Davon ausgenommen wird ein so genannter Notgroschen.
Zwar ist ein – nicht minderjähriger – Unterhaltsberechtigter im Verhältnis zu dem Unterhaltspflichtigen grundsätzlich gehalten, vorhandenes Vermögen zu verwerten, soweit ihm dies – auch unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten – zumutbar ist. Das schließt es indessen nicht aus, dem Unterhaltsberechtigten eine gewisse Vermögensreserve als sogenannten Notgroschen für Fälle plötzlich auftretenden (Sonder-)Bedarfs zu belassen (vgl. Senatsurteil vom 5. November 1997 – XII ZR 20/96 – FamRZ 1998, 367, 369 für ein volljähriges Kind; BGH, Urteil vom 5. Dezember 1956 – IV ZR 215/56 – FamRZ 1957, 120 für einen 74 Jahre alten Vater, der Elternrente nach § 17 Abs. 1 Nr. 5 BEG beantragt hatte). Zu einer anderen Beurteilung besteht auch im Rahmen der Inanspruchnahme auf Zahlung von Elternunterhalt kein Anlaß (anderer Ansicht OLG Köln FamRZ 2001, 437). Auch betagte, in einem Heim lebende Eltern können – ebenso wie andere ältere Menschen – noch Notfallreserven benötigen, deren Auflösung ihnen deshalb nicht angesonnen werden kann (vgl. etwa Paletta FamRZ 2001, 1639 f. der darauf hinweist, daß die Kapitalreserve in der Regel jedenfalls dazu dienen soll, die Beerdigungskosten zu bestreiten). Was die Höhe des sogenannten Notgroschens anbelangt, schließt sich der Senat der im Schrifttum wohl herrschenden Meinung an, nach der regelmäßig zumindest der Schonbetrag nach § 88 Abs. 1 Nr. 1 BSHG in Verbindung mit der Durchführungsverordnung anzusetzen ist (vgl. Derleder FuR 1991, 1, 7 f.; Duderstadt Erwachsenenunterhalt 3. Aufl. Anm. 3.2; Gerhardt in Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 4. Aufl. 6. Kap. Rdn. 206; Günther Anwaltshandbuch § 12 Rdn. 27; Heiß/Hußmann Unterhaltsrecht Kap. 16 Rdn. 20; Müller FPR 1995, 190, 191; Erdrich in Scholz/ Stein Praxishandbuch Familienrecht Teil J Rdn. 33; Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 5. Aufl. § 2 Rdn. 614; Mergler/Zink BSHG § 91 Rdn. 38).
(BGH, Urteil vom 17. Dezember 2003 – XII ZR 224/00 –, Rn. 14, juris)
Gemäß der Barbetragsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII bleibt der Betrag von 1600 € unangetastet. Dieser Betrag erhöht sich sofern die Nachfragen der Person das 60. Lebensjahr vollendet hat auf 2600 €. Darüber hinausgehende Beträge müssen verwertet werden.
5. Wie wird der Elternunterhalt berechnet?
Zunächst werden alle erzielten Einkünfte der Kinder zusammengerechnet. Daraus wird ermittelt ob grundsätzlich Unterhalt für die Eltern geleistet werden muss (§ 1603 Abs. 1 BGB).
Sind die Kinder Arbeitnehmer wird der Durchschnitt von 12 zusammenhängenden Monaten vor Eintritt des Unterhaltsbedarfs berechnet. Sind die Kinder selbstständig werden die durchschnittlichen Einkünfte der letzten 3-5 Jahre verrechnet. Von dem ermittelten Nettoeinkommen werden abgezogen:
- berufsbedingte Aufwendungen
- Private Altersvorsorge (bis zu 5 % des Bruttoeinkommens, so der BGH in seinem Urteil vom 28. Juli 2010, Az. XII ZR 140/07)
- Darlehensverbindlichkeiten
- Kosten der allgemeinen Krankenvorsorge
- krankheitsbedingte Aufwendungen
- Aufwendungen für regelmäßige Besuche des Elternteils
Der errechnete Betrag wird als „bereinigtes Nettoeinkommen“ bezeichnet. Von dem bereinigten Nettoeinkommen kann nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle der Selbstbehalt abgezogen werden. Für den Unterhaltspflichtigen selbst besteht derzeit ein Selbstbehalt von monatlich 1800 €. Für den Ehepartner besteht ein Selbstbehalt von monatlich 1440 €. Der Familienselbstbehalt beläuft sich derzeit monatlich auf 3240 €. Den erhöhten Familienanspruch kann nur berücksichtigen, wer mit seinem Partner verheiratet ist.
Auf einen Familienselbstbehalt kann sich der in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebende Unterhaltspflichtige nicht berufen.
(BGH, Beschluss vom 09. März 2016 – XII ZB 693/14 –, juris)
Sind Kinder vorhanden, so können für diese Freibeträge geltend gemacht werden. Die Höhe der Freibeträge richtet sich ebenfalls nach der Düsseldorfer Tabelle.
Von dem nach Bereinigung des Nettoeinkommens und Abzug des Selbstbehalts verbleibenden Einkommen müssen die Kinder die Hälfte als Elternunterhalt zahlen. Sind mehrere Kinder vorhanden und auch leistungsfähig, so haften sie alle anteilig (§ 1606 Abs. 3 BGB). Mit anteiliger Haftung ist die Bildung einer sogenannten Haftungsquote unter Berücksichtigung der jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemeint.
Bestehen Unterhaltspflichten gegenüber Kindern oder nachehelichen Unterhalt, so haben diese Pflichten vor dem Elternunterhalt Vorrang.
6. Schutz des sog. Schonvermögens
Besteht seitens der Kinder eine Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern, müssen diese mit dem eigenen Vermögen für den Unterhalt einstehen. Nicht für den Elternunterhalt eingesetzt werden muss ein sog. Schonvermögen. Dabei gibt es bislang keine feste Größe, welche zur Berechnung herangezogen werden kann. Es handelt sich in der Regel um Einzelfallentscheidungen. Gegenüber dem Sozialhilfeträger muss dargelegt werden, in welcher Höhe Geld zurückgelegt wurde und für welchen Zweck dieses bestimmt ist.
Zum Schonvermögen zählen unter anderem:
a.) Eigenheim
Der Wert einer selbstgenutzten Immobilie bleibt bei der Bemessung des Altersvorsorgevermögens eines auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen grundsätzlich unberücksichtigt.
(BGH, Beschluss vom 07. August 2013 – XII ZB 269/12 –, juris)
Dabei müssen aber die ersparten Mietkosten als Wohnwert zum Einkommen hinzugerechnet werden.
Der Wohnwert ist bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt nicht mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete, sondern auf der Grundlage der unter den gegebenen Verhältnissen ersparten Miete zu bemessen (vgl. hierzu Senatsurteile BGHZ 154, 247 = FamRZ 2003, 1179, 1180 ff. und vom 17. Oktober 2012 – XII ZR 17/11 – FamRZ 2013, 868 Rn. 19).
(BGH, Beschluss vom 07. August 2013 – XII ZB 269/12 –, Rn. 20, juris)
Die ersparten Mietkosten sind also nicht mit der erzielbaren Marktmiete gleichzusetzen. Die ersparten Mietkosten sind im Vergleich zur erzielbaren Marktmiete geringer, da die Zins- und Tilgungsleistungen abgezogen werden. Es könne zudem Rücklagen für Sanierung-und Modernisierungsarbeiten gebildet werden. Die Möglichkeit zur Bildung einer solchen Rücklage wird dann anerkannt, wenn die gegenwärtigen Lebensverhältnisse eine solche Rücklage sinnvoll erscheinen lassen.
b.) Altersvorsorgevermögen
Ebenfalls vom Zugriff des Unterhaltsgläubigers verschont bleiben Beträge welche zu notwendigen eigenen Alterssicherung zurückgelegt wurden. Der BGH hält dabei Vermögenswerte in Höhe von 5 % des Jahresbruttoeinkommens für angemessen. Dieses sog. „Altersvorsorgevermögen“ darf mit jährlich 4 % für jedes der zurückgelegten Berufsjahre verzinst werden. Auf die Form der Anlage kommt es nicht an. Selbst ein einfaches Sparkonto wird als Altersvorsorge anerkannt. Dies gilt auch für andere Rücklagen, die nachweislich der Altersvorsorge dienen. Hierzu zählen insbesondere Lebensversicherung oder Wertpapiere. Sind keine Vermögenswerte als Altersvorsorge vorhanden, kann auch eine vermietete Immobilie als private Altersvorsorge anerkannt und vor dem Zugriff des Unterhaltsgläubigers geschützt werden, wenn beabsichtigt ist mit den Mieteinkünften die eigene Altersvorsorge zu sichern.
Dem Unterhaltsschuldner steht es grundsätzlich frei, in welcher Weise er neben der gesetzlichen Rentenversicherung Vorsorge für sein Alter trifft. Sichert er den Fortbestand seiner gegenwärtigen Lebensverhältnisse durch Sparvermögen oder ähnliche Kapitalanlagen, muss ihm davon jedenfalls der Betrag verbleiben, der sich aus der Anlage der ihm unterhaltsrechtlich zuzubilligenden zusätzlichen Altersvorsorge (bis zu 5 % des Bruttoeinkommens beim Elternunterhalt) bis zum Renteneintritt ergäbe (Fortführung der Senatsurteile vom 19. Februar 2003 – XII ZR 67/00 – FamRZ 2003, 860 und vom 14. Januar 2004 – XII ZR 149/01 – FamRZ 2004, 792).
(BGH, Urteil vom 30. August 2006 – XII ZR 98/04 –, BGHZ 169, 59-77)
c.) Rücklagen für ein neues Fahrzeug
Wenn ein vorhandenes Fahrzeug für Fahrten zur Arbeit benötigt wird und so alt ist, dass im Hinblick auf absehbare Reparaturen die Anschaffung eines neuen Fahrzeugs wirtschaftlich sinnvoll ist, dann müssen für diese Anschaffung gebildete Rücklagen nicht für den Elternunterhalt ausgegeben werden. Insbesondere kann das zuständige Sozialamt nicht von dem Unterhaltsschuldner verlangen, dass diese stattdessen einen Kredit aufnimmt, weil das im Ergebnis unwirtschaftlich wäre.
Soweit das Berufungsgericht einen Betrag in Höhe von 21.700 € für die Anschaffung eines neuen Pkw unberücksichtigt gelassen hat, wendet sich die Revision dagegen nicht. Insoweit ist die Entscheidung schon deswegen zutreffend, weil der Beklagte seine gegenwärtigen Lebensverhältnisse auf eine Rücklage in dieser Höhe eingestellt hat. Sein Pkw war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht 12 Jahre alt und wies eine Laufleistung von mehr als 215.000 km aus. Damit erhöhen sich nach aller Erfahrung die Reparaturaufwendungen, was die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs für die notwendigen Fahrten zum Arbeitsplatz sinnvoll erscheinen lässt. Wenn der Beklagte teurere Konsumgüter, wie z.B. einen Pkw, statt durch Kreditaufnahme mit einem vorab angesparten Betrag finanziert, ist das wirtschaftlich sinnvoll. Von dem unterhaltsberechtigten Elternteil ist es dann hinzunehmen, dass der angesparte Betrag insoweit Kosten der allgemeinen Lebensführung abdeckt und deswegen für Unterhaltszwecke nicht zur Verfügung steht.
(BGH, Urteil vom 30. August 2006 – XII ZR 98/04 –, BGHZ 169, 59-77, Rn. 36)
7. Vorrang der Leistungen nach dem SGB XII
Sofern seitens der Eltern ein Anspruch auf Grundsicherung im Alter besteht, so haben diese die Pflicht diese Leistung auch in Anspruch zu nehmen. Durch die Inanspruchnahme der Grundsicherung im Alter entsteht zugunsten des Sozialhilfeträger keine Zahlungspflicht gegenüber den Kindern (§ 94 Abs. 1 Satz 3 SGB XII). Diese bedeutet nicht, dass die Unterhaltsansprüche nicht bestehen sondern dass diese zunächst unberücksichtigt bleiben.
Grundsicherungsleistungen werden unabhängig von Unterhaltsansprüchen der Eltern gegen die Kinder gewährt. Sie werden daher als Einkommen gewertet, mit der Folge, dass sie den unterhaltsrechtlichen Bedarf des Leistungsempfängers reduzieren.
Für den Unterhaltsberechtigten besteht grundsätzlich die Obliegenheit zur Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff. SGB XII); eine Verletzung dieser Obliegenheit kann zur Anrechnung fiktiver Einkünfte in der Höhe der entgangenen Leistungen führen.
(BGH, Beschluss vom 08. Juli 2015 – XII ZB 56/14 –, BGHZ 206, 177-195)
Für den Fall, dass ein Elternteil im Heim untergebracht werden muss, wird die Grundsicherung im Alter noch durch die Hilfe zur Pflege ergänzt (§ 61 SGB XII). Erst wenn dies nicht reicht, werden durch den Sozialhilfeträger die ungedeckten monatlichen Kosten übernommen. Für diese müssen die Kinder dann im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit gegebenenfalls aufkommen.
Der Anspruch auf Grundsicherung entfällt aber dann, wenn das Einkommen auch nur eines Kindes den steuerrechtlich zu bewertenden Betrag von 100.000 € übersteigt (§ 43 Abs. 3 S 6 SGB XII).
Die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist gemäß § 43 Abs. 3 Satz 6 SGB XII schon dann insgesamt ausgeschlossen, wenn bei einer Mehrzahl von unterhaltspflichtigen Kindern des Leistungsberechtigten nur eines der Kinder über steuerliche Gesamteinkünfte in Höhe von 100.000 € oder mehr verfügt (im Anschluss an BSG, 25. April 2013, B 8 SO 21/11 R, FamRZ 2014, 385)
(BGH, Beschluss vom 08. Juli 2015 – XII ZB 56/14 –, BGHZ 206, 177-195)
8. Wegfall der Leistungspflicht
Es kommt vor, dass der Unterhaltspflichtige zu seinen Eltern kein gutes Verhältnis hat. Dies führt nicht zwingend zu dem Wegfall der Leistungspflicht. Insbesondere führt ein vom Unterhaltsberechtigten ausgehender Kontraktbruch grundsätzlich nicht zum Entfall der Unterhaltspflicht.
Ein vom unterhaltsberechtigten Elternteil ausgehender Kontaktabbruch stellt regelmäßig eine Verfehlung dar. Sie führt indes nur ausnahmsweise bei Vorliegen weiterer Umstände, die das Verhalten des Unterhaltsberechtigten auch als schwere Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB erscheinen lassen, zur Verwirkung des Elternunterhalts
(BGH, Beschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 607/12 –, juris)
Etwas anderes gilt aber, wenn dem Unterhaltspflichtigen eine schwere Verfehlung vorgeworfen werden kann (§ 1611 Abs. 1 BGB).
Eine schwere Verfehlung gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann regelmäßig nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenommen werden. Als Begehungsformen kommen aktives Tun und Unterlassen in Betracht, letzteres allerdings nur, wenn der Berechtigte dadurch eine Rechtspflicht zum Handeln verletzt. Daher kann sich auch eine – durch Unterlassen herbeigeführte – Verletzung elterlicher Pflichten, wie etwa der Pflicht zu Beistand und Rücksicht im Sinne von § 1618 a BGB, der auch auf das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern Anwendung findet (Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1618 a Rn. 1), als Verfehlung gegen das Kind darstellen (Senatsurteile vom 15. September 2010 – XII ZR 148/09 – FamRZ 2010, 1888 Rn. 32 und vom 19. Mai 2004 – XII ZR 304/02 – FamRZ 2004, 1559, 1560).
Eine „schwere Verfehlung“ im vorgenannten Sinn ist nicht auf einzelne, schwerwiegende Übergriffe gegen den Unterhaltspflichtigen oder dessen nahe Angehörige beschränkt. Bereits in den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch wurde eingeräumt, dass erhebliche Gründe dafür sprechen, die Unterhaltspflicht in Fällen, in denen der Bedürftige durch unwürdiges Verhalten das Familienband zerrissen hat, nicht nur zu beschränken, sondern ganz wegfallen zu lassen (BT-Drucks. V/2370 S. 41). Ein solches Verhalten kann sich zum einen in einzelnen besonders schwerwiegenden Verfehlungen zeigen; eine schwere Verfehlung im Sinne des § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann sich zum anderen aber auch aus einer Gesamtschau des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten ergeben. Selbst wenn die einzelnen Verfehlungen dabei nicht besonders schwer wiegen, kommt es maßgeblich darauf an, ob sie zusammengenommen zeigen, dass sich der Unterhaltsberechtigte in besonders vorzuwerfender Weise aus der familiären Solidarität gelöst und damit letztlich bezogen auf seine familiären Verpflichtungen eine schwere Verfehlung begangen hat
(BGH, Beschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 607/12 –, Rn. 14, juris)
9. Im Ausland lebende Kinder
Das Gesetz sieht keine Beschränkung der Unterhaltspflicht auf den dauerhaften Aufenthalt in Deutschland vor. Entscheidend ist nach welchem Recht die Unterhaltszahlung zu leisten ist. Lebt der Unterhaltsberechtigte in Deutschland, das Kind aber im Ausland gilt deutsches Recht. Es kommt also auf das Recht des Staates an, in welchem die unterhaltsberechtigte Person ihren Wohnsitz. Dies bedeutet, dass auch im Ausland lebende Kinder grundsätzlich zum Unterhalt verpflichtet sind, sofern die Leistungsfähigkeit gegeben ist.
In der Praxis wendet sich das Sozialamt aber eher an die Unterhaltspflichtigen, in Deutschland lebenden Kinder, da diese eher greifbar sind. Bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs müssen die Anteile von im Ausland lebenden Geschwistern grundsätzlich mitberücksichtigt werden. Dabei kann je nach Aufenthaltsland auch ein höherer Selbstbehalt beansprucht werden.
Der Sozialhilfeträger wird zunächst auch in einem solchen Fall versuchen alle Kinder mit einer Rechtswahrungsanzeige und einem Auskunftsersuchen zur Auskunft über Einkommen und Vermögen auffordern. Dabei ist es nicht in jedem Fall zulässig die Kinder direkt anzuschreiben. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Schreiben der Behörde als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Es kann vorkommen, dass die deutsche Behörde sich nicht direkt an die im Ausland wohnenden Kinder wenden darf, sofern man sich auf die Regelungen des SGB stützt. Dies ergibt sich bereits aus § 30 SGB I, wonach die Vorschriften des SGB für Personen gelten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes haben. Im Rahmen der Geltendmachung der Auskunftspflicht stützt sich das Sozialamt in der Regel auf § 117 SGB XII. Dieser endet aber in der Regel, sofern keine zwischenstaatlichen Abkommen bestehen, an der Landesgrenze. In einem solchen Fall kann es sein, dass dann die Durchsetzung der Auskunftsansprüche von ausländischen Behörden über den Amts- und Rechtsweg erfolgen. In Fällen mit Auslandsbezug können sich die Behörden sich auch auf jeden Auskunftsanspruch aus § 1605 BGB stützen.
Sonderfall Schweiz
Zunächst ist anzumerken, dass in der Schweiz andere Freibeträge als in Deutschland zu Anwendung kommen. Danach besteht eine Leistungspflicht und damit auch Zahlungspflicht nur, wenn das Jahreseinkommen den Betrag von 120.000 SFr, bei Paarn von 180000 SFr übersteigt und ein Vermögen von über 250.000 SFr vorhanden ist. Das Problem besteht aber darin, dass der Unterhalt zunächst nach deutschem Recht berechnet wird. Dies wird auf Grund der evident höheren Lebenshaltungskosten in der Schweiz den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht.
Festzuhalten bleibt, dass der Geltungsbereich des SGB das Gebiet der Schweiz nicht umfasst. Die deutschen Behörden haben kein Recht, von den in der Schweiz lebenden Kinder mittels Verwaltungsakt eine Zahlung zu fordern. Etwas anderes gilt, wenn mittels Klageverfahren ein Titel erstritten werden sollte.
Fraglich ist auch, ob das Auskunftsersuchen direkt an in der Schweiz lebende Personen gerichtet werden darf. Gestützt auf § 1605 BGB ist das formlose Auskunftsverlangen nicht zu beanstanden. Ob es sinnvoll ist darauf zu antworten, bedarf einer sorgfältigen Abwägung unter Einbeziehung der spezifischen Aspekte des Einzelfalls.
Die gerichtliche Durchsetzung des Auskunftsersuchens in der Schweiz dürfte aber scheitern.
Im Verhältnis zur Schweiz richte sich die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen und damit auch des vorbereitenden Auskunfts- und Beleganspruchs nach dem UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20. Juni 1956. Anspruchsberechtigt nach diesem Abkommen seien nach dessen Art. 1 jedoch nur diejenigen Personen, denen der Unterhaltsanspruch zustehe. Damit seien ausschließlich natürliche Personen gemeint, nicht hingegen staatliche Stellen, die wegen erbrachter Leistungen auf sie übergegangene Unterhaltsansprüche oder deswegen entstandene Erstattungsansprüche geltend machten. Derartige Ansprüche seien in den Erörterungen auf der 8. Sitzung der Staatenkonferenz nicht als Unterhaltsansprüche im Sinne des Abkommens angesehen worden. Dies gelte erst recht, wenn es lediglich um die Durchsetzung eines Auskunfts- und Beleganspruchs gehe.
(OLG Celle, Beschluss vom 21. Dezember 2015 – 10 VA 1/15 –, Rn. 1, juris)
Der Sozialhilfeträger kann in diesem aber Fall selbst die Unterhaltsansprüche gerichtlich geltend machen. Eine solche Klage wäre am Gerichtsstand des Unterhaltsberechtigten und somit am Wohnsitz des Klägers in Deutschland zu führen.
Unbenommen bleibt dem antragstellenden Landkreis dagegen der reguläre Antragsweg vor den international zuständigen deutschen Familiengerichten ohne eine Inanspruchnahme der Zentralen Behörde nach den §§ 1 ff. AUG (vgl. auch Veith, FPR 2013, 46, 48, sowie ferner Andrae FPR 2013, 38, 45 zum Vorgehen im Falle einer Rückübertragung des Anspruchs).
(OLG Celle, Beschluss vom 21. Dezember 2015 – 10 VA 1/15 –, Rn. 13, juris)
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